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„Schauen Sie sich diese Mörder an – zufrieden, fett, schön angezogen.“ (Aussage zu einem Bild von Offizieren, die in einem KZ die Vergasungen durchführen)

Dies ist ein Zitat von Daniel Chanoch, der während des Nationalsozialismus diverse Konzentrationslager überlebt hat und den Schülern der Oberstufe am Montag, den 10. Oktober 2016, in einem berührenden Vortrag von seinen Erlebnissen erzählte.

Daniel Chanoch wurde 1932 in Litauen in eine jüdische Bauernfamilie geboren – er ist jetzt also 88 Jahre alt – und konnte seine Kindheit in noch „guten Zeiten“ verbringen. In der Schule in Kaunas gab es sogar extra Hebräisch-Unterricht für die Juden. Als er acht Jahre alt war, kamen jedoch die Russen nach Litauen und verbreiteten ihren Kommunismus. Später marschierten auch noch deutsche Truppen ein und begannen, die Juden zu vernichten (nach dem Krieg waren 95 Prozent der jüdischen Bevölkerung in Litauen vernichtet). Sowohl Daniels Familie als auch seine Kameraden wurden in Ghettos übergesiedelt, wo erst einmal Kinder, Frauen, alte und kranke Menschen verbrannt wurden. Es war für Daniel natürlich schlimm zu sehen, wie seine Kameraden getötet wurden. Die Übrigen mussten Zwangsarbeit verrichten. Damit die Kinder trotzdem etwas lernten, gab es heimlichen Unterricht, sogar mit Büchern. Irgendwann mussten sich die Kinder dann doch verstecken, und Daniel Chanoch erzählte eindrücklich von einer tragischen Flucht mit Sprung aus dem Fenster, weil ein Offizier seine „Pistolet“ herausholte und tödliche Schüsse abgab, auch auf seinen Bruder.

Im Juli 1944, Daniel war zwölf Jahre alt, wurde das Ghetto auf der Suche nach Verstecken liquidiert und sie wurden in Züge verladen. Daniels Mutter und die Schwester mussten in Stutthof aussteigen, er hat bis heute nie wieder von Ihnen gehört. Die Männer, auch sein Vater, kamen nach Landsberg. Sein Vater wurde später in Birkenau vergast (in der Nähe von Auschwitz). Die 131 Kinder aus Kaunas lernten in Dachau marschieren, um dann in Auschwitz Wagen, die den Besitz von vergasten Menschen wegbrachten, zu ziehen, wie es normalerweise Pferde tun. Die Häftlinge wurden mit farbigen Symbolen nach Rasse oder „Verbrechen“ gekennzeichnet, z. B. Juden, Kriminelle, Homosexuelle, usw.

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Am 8. Januar 1945 begannen die Kinder den „Todesmarsch“ von Auschwitz nach Mauthausen, bei eisigen Temperaturen und mit fast nichts zu Essen. Erst im April kamen sie an. Wenig später ging die Reise weiter nach Gunskirchen, einem Außenlager des KZ Mauthausen. Dieses sei „das schlimmste“ gewesen, die Menschen wurden reihenweise mit Suppen vergiftet.

Noch im selben Jahr wurden die Häftlinge von Gunskirchen von jüdischen Soldaten befreit. Daniel konnte sich darüber erst überhaupt nicht freuen, denn von seiner Familie war nur ein Bruder übriggeblieben, alle anderen waren tot, aber er war erst dreizehn Jahre alt. Am Ende des Krieges kämpfte er noch einige Zeit in der jüdischen Brigade in Norditalien, wo er 1945 auch seinen Bruder wiedertraf. Danach schlug er sich durch bis Palästina, am Ende sogar auf einem illegalen Einwandererschiff.

Heute lebt er glücklich in Atlit in Israel und hat sieben Enkel. Die 41 Überlebenden aus Kaunas treffen sich immer noch jedes Jahr am 4. Mai. Daniel sagt: „alle meine Träume wurden wahr.“

Die schlimme Zeit in seiner Jugend konnte er nur durchhalten, weil er leben wollte, sich nicht auf „Sentimente“ konzentrierte, sondern auf die Arbeit.

Auch heute lebt er nach diesen Prinzipien. Er sieht es als seine Aufgabe an, möglichst neutral von seinen Erlebnissen zu erzählen, den Menschen klar zu machen, wie schlimm diese Zeit war, damit so etwas nicht noch einmal passiert. Erstaunlich ist, dass er keinerlei Rachegedanken hegt oder den Glauben an das Gute im Menschen verloren hat. Im Gegenteil, Liebe und Solidarität zwischen den Menschen sind ihm sehr wichtig. Es wurde sogar ein Film produziert, auf den er mächtig stolz ist und der viele Preise gewonnen hat. Außerdem möchte er einen Termin bei Putin, da wir im Westen mittlerweile zwar in einer „schönen Welt“ lebten, im Osten aber immer noch schlimme Kriege wüten.

Wir durften bei diesem Gespräch erfahren, dass Daniel Chanoch mit seiner Aufklärungsarbeit durchaus erfolgreich ist. Sein Vortrag war ergreifender und emotionaler als es jede noch so gute Geschichtsstunde sein kann. Es ist einfach etwas Anderes, ob man trockene Texte im Geschichtsbuch liest oder von jemandem, der dabei war, Bilder von Orten gezeigt bekommt, an denen hunderttausende Personen getötet wurden. Bilder von Menschen, die mit ihren Enkeln auf dem Weg zur Gaskammer sind, oder von Listen, wo aufgezählt ist, welche Juden wo vernichtet wurden.

Für uns war es sehr beeindruckend, wie ein Mensch, der so schreckliche Erlebnisse durchgemacht hat, noch so viel Energie und Lebensfreude haben kann, in der Welt herumzureisen, von seinem Leben zu erzählen (in gebrochenem Deutsch mit englischen Elementen), und danach mit uns Schülern sogar noch ein Fotoshooting zu machen.

Von solchen Vorbildern sollten und können wir viel lernen. Umso dankbarer sind wir allen Beteiligten, dass es uns ermöglicht wurde, einen so tollen und tapferen Menschen kennen zu lernen.

von Iolanthe Köcher

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